Dies ist KEIN Beitrag einer Expertin. Sondern einer Mama,
…der sich bereits einige Male die Brust zugeschnürt hat vor Angst. Wasser ist für mich seit jeher ein wunderbares und faszinierendes Element gewesen. Aber seitdem ich Kinder habe auch eines vor dem ich zunehmend mehr Respekt bekomme. Mir ist es unglaublich wichtig – auch wenn die Badesaison bereits zu Ende ist – das Thema „Leiser Tod durch Ertrinken“(auch sekundäres Ertrinken genannt) hier mal kurz anzusprechen.
Gerade in diesem Sommer hatten die Freibäder Hochkonjunktur und wir alle haben sie gelesen: die Schlagzeilen mit traurigen Nachrichten gehört, dass es dieses Jahr wesentlich mehr Badetote gab als in den vergangenen Jahren gab. Ein heißer Sommer hat eben auch seine Schattenseiten.
Wir hatten Anfang des Sommers ein Erlebnis im Freibad, was ich mit Euch teilen möchte.
Alles war eingepackt. Bikinis. Badehosen. Schwimmflügel. Schwimmreifen und Baby-Schwimmsitz. Perfekt ausgestattet für eine lustige Plantsch-Partie im kühlen Nass.
Mama mit Tränen am Beckenrand
Das Wasser in unserem Freibad ist recht frisch, weshalb schnell klar war, dass der kleine Mann nur zuschaut, maximal die Füßchen ins Wasser hält. Die Mädels wurden mit Schwimmflügeln ausgestattet und ab in Wasser. Plötzlich kam einer von uns auf die Idee, dass wir das mittlere Würmchen für den maximalen Spassfaktor zusätzlich noch in den Schwimmsitz setzen, der eigentlich für den kleinen Mann gedacht war. Vom Papa ein wenig umherdrehen lassen und gemütlich im Wasser chillen – das ist doch ‘ne feine Sache. Ich hatte schon ihr Strahle-Gesicht vor Augen, wie sie sich freuen würde. Und was machen wir Eltern nicht alles für ein breites Grinsen unserer liebsten kleinen Minimenschen? Also holten wir den Schwimmsitz und setzten sie hinein. Simon zog sie im Wasser hin und her, drehte sie und sie hatte eine „Mords Gaudi“. An dieser Stelle kann ich auch schon sagen – es ist dabei überhaupt nichts Schlimmes passiert. ABER es hätte sooo viel passieren können. Und so saß ich wenige Augenblicke mit dicken Kullertränen am Beckenrand.
Warum und was war passiert?
Auf einmal sah ich ihn auf uns zukommen. Den Bademeister. Er hatte uns im Visier – ich allerdings hatte keine Ahnung warum. Dies erklärte er uns dann aber ausführlich. Sehr bestimmt aber nicht vorwurfsvoll. Und was soll ich sagen? Ich bin diesem Mann für dieses „Du Du Du“ so unendlich dankbar.
Denn er erklärte uns…
Niemals sollten Kinder Schwimmflügel und Schwimmreifen/Schwimmring gleichzeitig benutzen.
Unser Gedankengang, dass dies noch sicherer sein könnte ist falsch und ein absoluter Trugschluss.
Was ist so gefährlich daran?
Auch wenn Eltern (natürlich) immer in Armlänge und mit ständigem Augenkontakt beim Kind sein sollten – wissen alle Eltern (spätestens, wenn sie mehr als ein Kind haben), dass es sehr schnell passiert, dass man wenige Sekunden wegschaut. Und ja! Wenige, einzelne Sekunden können im Wasser schon lebensgefährlich sein. Vor allem, wenn man Schwimmhilfen nicht oder falsch einsetzt.
- Niemals Schwimmflüge und Schwimmring kombinieren
Wenn ein Kind mit Schwimmflügeln UND Schwimmreifen/Schwimmsitz umkippen sollte (z.B. bei Wellengang) – dann ist der Kopf ganz fix unter Wasser. Schneller als man denken kann. Kopf unter Wasser ist prinzipiell nicht das Problem. Denn beim Tauchen greift ein bestimmter Mechanismus, der eigentlich vor dem Ertrinken schützen soll.
Geraten Nase und Mund unter Wasser, kommt es zu einer reflexartigen Schutzreaktion. Sogenannte Stimmritzen schließen sich, weshalb Wasser nicht in die Lunge gelangen kann.
Beispiel: Wenn das Kind Schwimmflügel anhat und z.B. durch Toben mit dem Kopf unter Wasser gerät – dann setzt die beschriebene reflexartige Schutzreaktion ein und durch den Antrieb der Schwimmhilfen kommt das Kind schnell wieder an die Wasseroberfläche und kann tief Luft holen. Der Badespass kann weitergehen. Alles super
Was aber passiert, wenn man zu den Schwimmflügeln noch in einem Schwimmsitz oder Schwimmring anhat?
Das Kind kippt um. Die reflexartige Schutzreaktion setzt ein und schütz im ersten Moment vorm Einatmen des Wassers. ABER die Schwimmflügel wollen durch ihren Auftrieb das Kind an die Wasseroberfläche drängen, werden allerdings von dem Schwimmring/Schwimmsitz daran gehindert. Der tiefe Atemzug, den das Kind normalerweise (evolutionsbedingt) nach dem Auftauchen ganz automatisch macht, passiert nun durch die Blockade des Schwimmrings in diesem Fall bereits UNTER Wasser.
Folge: das Kind schafft nicht sich an die Wasseroberfläche zu drehen und atmet sehr viel Wasser in seine kleine Lunge ein.
Die Eltern kommen.
Retten ihr Kind.
Das Kind hustet viel.
Alle haben einen riesen Schreck.
Das Kind hustet auch danach noch weiter – beruhigt sich aber mit der Zeit.
Alle fahren heim.
Und genau DAS ist das Tückische.
Zu Hause beendet man den Tag. Alle gehen ins Bett, dankbar, dass alles nochmal gut gegangen ist. Und am nächsten Morgen finden die Eltern ihr Kind leblos im Bett. Leise und innerlich ertrunken an dem Wasser, welches nicht mehr ausgehustet wurde.
Der Gedanke daran ist so grausam – ich kann es nicht in Worte fassen. Mir sind bei dem Gespräch mit dem Bademeister direkt die Tränen geflossen. Keine Selbstvorwürfe an mich aber eine Mischung aus Dankbarkeit, dass er sich die Zeit genommen hat und uns so ausführlich aufgeklärt hat und aus Fassungslosigkeit, dass uns das aus Naivität und Unwissenheit einfach passieren hätte können. UNS. Eltern von drei Kindern. Die das doch eigentlich schon längst wissen müssten, oder?
Fast allen Mamis mit denen ich seither gesprochen habe, wussten selber noch nichts über den leisen Tod und waren total betroffen. Und deshalb hoffe ich, dass dieser Artikel noch mehr Eltern erreicht. Nicht, um Angst zu machen sondern einfach, um noch ein bisschen mehr zu sensibilisieren, dass Wasser einfach nicht zu unterschätzen ist.
ZUM MERKEN:Das Gefährliche beim leisen Ertrinken ist das Einatmen von Wasser ohne dass es im Nachhinein restlos wieder ausgehustet wird. Dafür braucht es nicht zwingend Schwimmflügel. Kann auch in der Badewanne oder einer flachen Pfütze passieren.
Wichtig noch zum Thema Leiser Tod durch Ertrinken /sekundäres Ertrinken
Gelangt Wasser in die Lunge kann es auch noch nach 24 Stunden zu schweren Atemstörungen bis hin zum Lungenversagen führen. Aus diesen Gründen sollte übrigens auch Babys in Baby-Schwimmkursen nicht tauchen. Größere Kinder können durch Badeunfälle betroffen sein. Auch Springen aus zu hoher Höhe sowie zu schnelles Eintauchen durch sehr schnelle Rutschen können Gefahrenquellen sein. Meiner Meinung nach kein Grund es seinen Kindern zu verbieten – aber ein Grund, um als Eltern besonders wachsam zu sein.
Anzeichen für sekundäres Ertrinken:
- Husten, auch noch Stunden nach dem Vorfall
- Unwohlsein
- Müdigkeit bis hin zu Apathie.
Im Zweifelsfall den Notarzt rufen
In so einem Fall sollte man immer (wenn auch nur sicherheitshalber) sofort zum Arzt oder die 112 rufen und sich nicht abwimmeln lassen.
Hier noch ein paar weitere wichtige Tipps und Hinweise, die ich recherchiert habe:
SMARTPHONE: Das Handy sollte während des Bade-Ausflugs möglichst in der Tasche verschwinden. Es kann sehr ablenken, wenn es darum geht auf die Kinder aufzupassen. Manchmal schwierig in Zeiten on Social Media und Geräten, die Zeitung, Fotoapparat und Telefon in einem vereinen – ABER bei Badeausflügen gehören sie in die Taschen, sofern niemand anderes ein Auge aufs Kind hat.
KEINE MACHT DER ANGST: den Nachwuchs früh ans Wasser gewöhnen. Ängste und Unsicherheiten nehmen.
ANTRIEBSHILFEN: Schwimmflügel sollten in der Regel ERSTE WAHL sein. Schwimmringe, Schwimmsitze, Schwimmtiere, Luftmatratzen etc. können für die Kleinen lebensgefährlich sein
4 JAHRE: ab vier Jahren sind Kinder in der Regel motorisch so fit, dass sie schwimmen lernen können (im Idealfall schaut sich der Schwimmlehrer die Motorik mal an und beurteilt, ob man starten kann oder eher noch wartet. Schwimmen-Lernen sollte nicht zu Frust führen und sich das Kind dafür beriet fühlen)
SEEPFERDCHEN:Mit dem Abzeichen ist ein Kind längst nicht wassersicher. Eltern sollten sich trotz dieser Auszeichnung ihres Kindes niemals in Sicherheit wähnen. Ein Kind mit Seepferdchen kann lediglich kurze Strecken schwimmen. Es kann aber möglicherweise überfordert sein, wenn es Wasser schluckt. Im tieferen Wasser sollten Erwachsene immer nebenher schwimmen, im flachen Wasser eignen sich neben Schwimmflügeln z.B. auch Poolnudeln, an denen sich das Kind festhalten kann. Trotzdem müssen die Eltern ununterbrochen aufpassen.
ALLEINE IM BECKEN: sollte sich das Kind frühestens dann aufhalten, wenn es das Jugendschwimmabzeichen/Schwimmpass in Bronze hat. Dann ist es schwimmsicher.
WELLEN UND STRÖMUNGEN IM SEE können zum Verschlucken von Wasser führen, sodass man auch mit Schwimmflügeln ertrinken kann, weil das Kind keine Kraft mehr hat. Kalte Strömungen können zu Muskelkrämpfen führen und zur Gefahrenquelle werden
TIEFES WASSER: sollte nur mit Freischwimmerabzeichen erkundet werden. Kinder ohne Abzeichen sollten immer im Wasser stehen können.
ELTERN: sollten selber gute Schwimmer sein und erste Hilfe leisten können. Sie müssen damit umgehen können, wenn das Kind Panik bekommt und sich festklammert. Sind Eltern keine guten Schwimmer, sollten sie lieber im flachen Wasser mit dem Nachwuchs bleiben. DENN sie sollten in die Wassertiefe hinuntertauschen können, in der sie gerade mit ihrem Kind schwimmen.
BADEZONEN im See oder Freibad haben ihren Grund. Sie sollten eingehalten werden
ABKÜHLUNG: niemals aufgehitzt ins Wasser gehen, weil der Kreislauf schlapp machen kann
WOHLFÜHLFAKTOR: ins Wasser gehen sollte immer Spass machen und nicht erzwungen sein
BLAUE LIPPEN: gehören eingekuschelt ins Handtuch und nicht länger ins kalte Wasser. Wer wieder aufgewärmt ist kann weiterplantschen.
GEWITTER: sind lebensgefährlich. Also alle sofort raus aus dem Wasser
UFERZONEN, die sehr verkrautet und bewachsen sind sollten unbedingt gemieden werden, weil sie sehr gefährlich werden können. Kinder bekommen häufig Angst bis hin zur Panik, wenn das Wasser dunkel, sumpfig und bewachsen ist.
NICHTSCHWIMMER sollten immer Schwimmflügel tragen und nur bis zum Bauch ins Wasser gehen.
NICHT ZU WEIT RAUSSCHWIMMEN: Das machte eine mögliche Rettung schwieriger
Und die Moral von der Geschichte?
Eltern müssen all diese Dinge nicht auswendig lernen. Denn man kann nicht alles kontrollieren, was passieren könnte. Aber man kann oder muss wachsam sein und sollte immer mit klaren Menschenverstand beim Baden mit Kindern dabei sein!
Auch unsere drei Kinder haben schon das ein oder andere Mal nach Luft geschnappt, sind ins Wasser geplumpst und haben Simon und mir böse Schrecksekunden bereitet. Das ist ganz NORMAL und sogar gut so. DENN die Kleinen müssen und sollen ihre eigenen Erfahrungen mit dem Element Wasser machen. Auch hier gilt „Probieren geht über Studieren“. ABER immer mit Mama oder Papa an ihrer Seite. Wenn Kinder merken und verstehen, wie Wasser „funktioniert“ und was passiert, wenn sie bestimmte Dinge im Wasser machen – dann werden sie automatisch sicherer im kühlen oder auch warmen Nass.
Und wir Eltern? Wir werden durch solche kleinen Schrecksekunden immer mal wieder neu dafür sensibilisiert wachsam zu bleiben und unsere Augen beim Baden NIEMALS von den Kindern abzuwenden.